ITeM – ITS Testfeld Merzig
Intelligente Verkehrssysteme
FGVT startet innovatives Forschungsprojekt in Merzig
Kreuzungen an Rathaus und Landratsamt werden seit September 2014 mit speziellen Kommunikationssystemen ausgestattet
Die Forderung nach mehr Sicherheit, Umweltfreundlichkeit und Effizienz im Straßenverkehr hat in der jüngsten Vergangenheit zur Realisierung einer Reihe von Forschungsprojekten im Bereich intelligenter Verkehrssysteme (IVS) bzw. engl. Intelligent Transportation Systems (ITS) geführt. Das Konzept umfasst die Kommunikation von Fahrzeugen untereinander und der Kommunikation mit der Verkehrsinfrastruktur. Die sogenannte Fahrzeug zu Infrastruktur Kommunikation (Vehicle-to-Infrastructure – V2I oder auch Car-to-Infrastructure – C2I) kann über hybride Zugangsnetzwerke realisiert werden. Als Datenquelle liefert das Fahrzeug Informationen über aktuelle Gefahrensituationen, die Verkehrslage, Umleitungsempfehlungen, Parkplätze oder das Wetter an andere an das System angeschlossene Verkehrsteilnehmer(innen). Weiterhin liefern sie statistische Daten zur Anpassung und Verbesserung von Verkehrsknotenpunkten und -systemen. Als Senke wird das Fahrzeug vor aktuellen, für das Fahrzeug relevanten, Gefahren gewarnt oder mit zusätzlichen Informationen zur Effizienzsteigerung (z.B. individuelles und ökonomisches Umleitungsmanagement) bzw. auch Mehrwertinformationen (z.B. Wetterinformationen oder Parkraummanagement) versorgt.
Allgemeine Ziele
Das geplante Vorhaben verfolgt den Ansatz ITS-Servicetests abseits von Großprojekten für kleine und mittelständische Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Die Industrie soll somit in enger Zusammenarbeit mit der htw saar in die Lage versetzt werden, flexibel und unabhängig Know-How schaffen zu können, was angesichts der geplanten Markteinführung von ITS bis zum Jahr 2017 zu einem wettbewerblichen Vorteil von mit dem Testfeld kooperierenden Unternehmen und einem technologischen und strukturellen Vorteil für die Region führen wird. Die htw saar wird in die Lage versetzt ihre angewandte Forschung auf dem Gebiet der ITS weiter auszubauen und die somit gewonnenen Erkenntnisse in unterschiedliche Standardisierungsgremien und Projektkonsortien einfließen zu lassen sowie neue Forschungsinitiativen zu unternehmen. Die Teilaspekte nachhaltige Mobilität, sichere Identität und Kommunikation bilden Kernaspekte der ITS-Forschung und Entwicklung. Die ortsansässige Industrie, ebenso wie die Stadt, profitieren von der Schaffung eines solchen Technologiezentrums. Die Forschung und Entwicklung auf diesem künftig so wichtigen Themenfeld in einer regionalen Umgebung und einer, im Unterschied zu anderen Testfeldern, einzigartigen Konfiguration und Zugänglichkeit bedeutet vielfältige Kooperationsmöglichkeiten, eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet der ITS-Systemvalidierung, die Grundlage für eine Steigerung der lokalen Verkehrseffizienz und eine Stärkung der Region als Ganzes.
Bisher durchgeführt
- Ausrüstung von 4 Verkehrsknotenpunkten (zentrale Kreuzungen) mit ITS-Infrastrukturkomponenten, zur Erfassung und Sammlung von Daten die von Testfahrzeugen gesendet werden
- Ausrüstung der Knotenpunkte mit Verkehrskameras zur optischen Validierung von Testdaten
- Konstruktion mobiler Einheiten für Fahrzeuge
- Zusammenfassung der Hardware einer Kreuzungsanlage zu einer „mobilen Roadside-Station“ (engl. ITS Roadside Station, IRS)
- Ausrüstung von Fahrzeugen des öffentlichen Personennahverkehrs zur Nutzung als permamente Datengeber neben den Testfahrzeugen
- Errichtung einer Serverzentrale inklusive Bedienarbeitsplätzen, die mittels Mobilfunkkommunikation mit dem Testfeld verbunden wird
- Bereitstellung von Anwendungs- und Analysesystemen zur Verarbeitung der Testfelddaten
- Errichtung eines Storage Area Networks zur Speicherung der generierten Daten
- Inbetriebnahme von parallelen Datenschnittstellen zur Aggregation bereits vorhandener Daten der bestehenden Verkehrsinfrastruktur mit Daten aus dem Testfeld
- Miteinbeziehung von Industriepartnern zur Entwicklung von Day One/Two Usecases (z.B. Ampelphasenassistent)
„Für dieses Vorhaben haben wir die Kreisstadt Merzig aufgrund ihrer Charakteristik als Kleinstadt mit moderner Verkehrsinfrastruktur ausgewählt“, erläuterte Projektleiter Wieker. „Das signifikante Verkehrsaufkommen durch den Autobahnanschluss sowie die Funktion als Verkehrsknotenpunkt machen die Stadt aus Sicht der Verkehrsforschung zu einem interessanten Standort“, erklärten Florian Petry, M.Sc. und Matthias Scholtes, M.Sc. von der Forschungsgruppe. Im Projektverlauf werden die vier Kreuzungen am Rathaus, am Landratsamt, am Kaufland-Kreisel sowie die Ab- bzw. Auffahrt in und aus Richtung B51 zwischen Hilbringer Brücke und Kaufland-Kreisel mit speziellen technischen Geräten ausgerüstet. Sie dienen der Erfassung und Sammlung von Daten, die von den Testfahrzeugen geliefert werden. Eine Kooperation mit dem öffentlichen Personennahverkehr ist geplant, um Busse als permanente Datengeber zu involvieren. Für eine Validierung der gesammelten Testdaten sind spezielle Kameras zur Erfassung der aktuellen Verkehrslage und der Testfahrzeuge vorgesehen. Das Testfeld wird die Daten über Mobilfunk mit einer Zentrale austauschen.
„Das Thema Optimierung des innerstädtischen Verkehrsflusses nimmt in der Kreisstadt Merzig einen hohen Stellenwert ein“, betonte Bürgermeister Marcus Hoffeld. Vor diesem Hintergrund unterstütze das Projekt „Intelligente Verkehrssysteme Testfeld Merzig“ die Stadt, indem es durch die gewonnenen Daten und Statistiken weitere wichtige Informationen liefere, „die wir als Kommune ggfls. im Rahmen unserer Anstrengungen zur Verbesserung der Verkehrssituation verwenden können.“ Darüber hinaus, so Hoffeld, sei mit diesem innovativen Forschungsprojekt der htw saar ein Imagegewinn für die Kreisstadt Merzig verbunden, da der Name der Stadt aufgrund der bundesweiten Ausstrahlungskraft des Projektes in die komplette Republik transportiert werde. „Wir wollen die Studierenden bei ihrer Arbeit unterstützen“, kündigte Hoffeld an und wies darauf hin, dass dieses bundesweite Projekt mit Fördergeldern in erheblichem Umfang bedacht werde.
Die Aufbauarbeiten in Merzig sind seit September 2014 im Gange. Zunächst werden die beiden Kreuzungen Bahnhof-/Hochwaldstraße im Bereich des Rathauses und Lothringer-/Bahnhofstraße beim Landratsamt ausgerüstet. Die Nachrüstung der restlichen Kreuzungen ist für 2015 geplant. Die beiden Startkreuzungen werden mit jeweils drei Kameras ausgestattet, um die aktuelle Verkehrssituation anonymisiert zu erfassen sowie speziell ausgerüstete Forschungs- und Testfahrzeuge zum Zweck der Testvalidierung zu erkennen. Die Forschergruppe wies darauf hin, dass die Themen Anonymität und Schutz der Privatsphäre Dritter besonders an dieser Stelle ein zentrales Element des Projekts seien und in jedem Aspekt Beachtung fänden. Infolgedessen würden lediglich Informationen von Testfahrzeugen erhoben.
Aktueller Stand des Vorhabens
Die Zentrale wurde konzeptioniert und nach dem Aufbau und der Integration der Hardware am Standort der Forschungsgruppe in Saarbrücken in Betrieb genommen. Zwei Kreuzungen wurden bisher mit Infrastrukturkomponenten ausgerüstet (siehe Abbildung). Dabei handelt es sich um die Kreuzungen Hochwaldstraße/Zum Bauhof/Friedrichstraße und Lothringer Straße/Bahnhofstraße. Der Kreuzungsaufbau umfasst jeweils 3 Verkehrskameras. Eine Kommunikationseinheit zur Fahrzeug zu Infrastruktur Kommunikation mittels ETSI ITS G5 wurde auf vorhandenen Masten montiert. Eine Applikationseinheit und die Komponenten zur Mobilfunkkommunikation wurden in den Steuergeräteschrank der jeweiligen Ampelanlage verbaut. Strom- und Datenverbindungen bestehen zwischen der Applikationseinheit und der Stromversorgung im Steuergeräteschrank und den Kameras bzw. der Kommunikationseinheit.
- grün (umrandet): bereits aufgebaute stationäre Roadside-Stations an Kreuzungen
- grün (nicht umrandet): geplant
- rot: exemplarische Standorte für mobile Roadside-Stations (inklusive Einheiten aus CONVERGE)
Der schematische Aufbau aller Verbindungen ist in der obigen Abbildung dargestellt. Der Aufbau der Kreuzung Lothringer Straße/Rieffstraße wird geblockt durch den anstehenden Rückbau des Kreisverkehrs und den Ausschreibungsprozess der Ampelanlage. Der Aufbau der Kreuzung Lothringer Straße/Zubringer L174 wird geblockt durch den Ausschreibungsprozess der Ampelanlage. Die hierfür vorgesehene Hardware ist bereits beschafft und ist bereit für eine Integration, sobald diese Kreuzungen umgebaut werden.
Datenschutz
Bezüglich der datenschutzrechtlichen Belange steht die Hochschule im Austausch mit dem unabhängigen Landesdatenschutzzentrum des Saarlandes.
Ausblick
Parallel zum weiteren Auf- bzw. Ausbau des Testfeldes wird in den nächsten Schritten die Umsetzung der CONVERGE Referenzarchitektur vervollständigt und die dort spezifizierten Use-Cases verifiziert. Zur Einbindung permanenter Datengeber, neben den Testfahrzeugen der Forschungsgruppe, laufen derzeit Gespräche mit der Stadt bzw. den Verkehrsverbünden um die Ausstattung von Fahrzeugen der Stadt und/oder Bussen zu ermöglichen. Weitere ITS-Anwendungen wie zum Beispiel Ampelphasenassistent, Reisezeiterfassung, Parkplatzmanagement und Eventmanagement werden derzeit im Rahmen laufender Projekte sowie mehrerer Bachelor- und Masterthesen im Testfeld entwickelt und untersucht.
Das Testfeld stellt bereits die Grundlage für die Arbeit der FGVT in ihren laufenden Projekten, zum Beispiel No LimITS, zum Thema Elektromobilität dar. Zurzeit laufen außerdem Projektanträge auf dem Gebiet des automatisierten Fahrens für deren Durchführung sich die Forschungsgruppe durch das Testfeld qualifiziert. Neben der Ausstattung der restlichen Kreuzungen ist mittelfristig eine Anbindung der Autobahn durch weitere Roadside-Stations vorgesehen.
Neben der Kreisstadt Merzig wird das Projekt auch durch das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr, den Landesbetrieb für Straßenbau, Swarco Traffic Systems GmbH, Heusch Boesefeldt GmbH, die Forschungsinitiative FHInvest des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie die saarländische Staatskanzlei unterstützt und gefördert.
Im August 2016 besuchte die Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer das Testfeld. Nähere Informationen finden Sie hier.
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage der Stadt Merzig.
Projektpartner und Kooperationen:
- Heusch Boesefeldt GmbH
Als Anbieter im Bereich Leitsysteme und Verkehrsmanagement war Heusch Boesefeldt bereits im Projekt simTD als Partner aktiv. Die dort erfüllte Aufgabe der Bereitstellung einer IRS-Zentrale zur Erhebung, Aufbereitung und Analyse von Verkehrsdatenwurde auch im aktuellen Vorhaben wahrgenommen. Hierfür wird ein Analyseserver in die Zentrale integriert der unter anderem die von Swarco zur Verfügung gestellten Daten verarbeitet.
Durch die Aktivitäten in der Forschung mit namhaften Automobilherstellern und Zulieferern ist hier auch das Potential weiterer Kooperation gegeben. - Landesbetrieb für Straßenbau
Zuständig für die Verwaltung der Ampelanlagen in Merzig gestattet und unterstützt der Landesbetrieb für Straßenbau (LfS) das Vorhaben. - Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr
Als oberste Instanz für Verkehr im Saarland unterstützt das Ministerium das Vorhaben, stellt über das LfS Ressourcen zur Verfügung und stellte den initialen Kontakt zur Stadtverwaltung Merzig her. Neben dem Aufbau des Testfeldes selbst unterstützt das Ministerium auch die Beteiligung des Testfelds in verschiedenen anderen Projekten und Initiativen. - Stadtverwaltung Merzig
Die Stadtverwaltung sieht das Vorhaben als im Sinne der Weiterentwicklung der Stadt und der verkehrlichen Situation. Sie ist interessiert an der Ausschöpfung der Möglichkeiten von ITS, speziell auch im Bereich Elektromobilität. - Swarco Traffic Systems GmbH
Als vom LfS beauftragter Betreiber der Lichtsignalanlagen in Merzig stellt Swarco einen lesenden Zugriff auf den entsprechenden Verkehrsrechner zur Verfügung. Außerdem leistete Swarco Unterstützung bei der Installation der Hardware vor Ort.
Als Global Player in der Verkehrsforschung und der Teilnahme an zahlreichen Forschungsprojekten auch hier das Potential an weiteren Aktivitäten im Bereich der Forschung gegeben. - Unabhängiges Datenschutzzentrum Saarland
Das unabhängige Datenschutzzentrum Saarland hat die Überprüfung des aktuellen Kamerakonzeptes vorgenommen und als unbedenklich bescheinigt. - Vodafone
Durch die guten Kontakte der Forschungsgruppe zu Vodafone gestattet Vodafone die Nutzung ihres Testnetzes zur Anbindung des Testfeldes an die Zentrale und stellt entsprechende SIM-Karten bereit.
gefördert von: